Geben und Nehmen – Adam Grant
Warum Egoisten nicht immer gewinnen und hilfsbereite Menschen weiterkommen
Der Autor
Der Autor Adam Grant ist Organisationspsychologe und will die herkömmliche Auffassung, dass Egoisten im Leben erfolgreicher werden, auf den Kopf stellen. Dazu hat er zahlreiche Beispiele aus der Wirtschaft untersucht und führt auf, dass nur ein Geber-Verhalten nachhaltig zu Erfolg und persönlicher Zufriedenheit führt.
Risiken und Chancen von Großzügigkeit
Adam unterteilt die Menschen in drei Kategorien. Er nennt sie Geber, Nehmer und Tauscher. Im vorliegenden Buch bringt er zahlreiche Beispiele aus der Wirtschaft an, in denen sich Unternehmer durch großzügiges Verhalten hervortun. Sie lösen sich vom üblichen Verhalten des knallharten Forderns bei Geschäftsverhandlungen und bieten vielmehr an, das Angebot genau abzuwägen und ruhig auch bei der Konkurrenz vorzufühlen, bevor sie sich entscheiden. Das bringt zunächst ein höheres Risiko aber schafft auch Vertrauen.
Wer ist erfolgreicher?
Adam hat diverse Studien ausgewertet, welche Charaktere im Business a erfolgreichsten werden. Das Interessante ist, dass Geber einerseits eine Gruppe der erfolglosesten Geschäftspartner bilden, auf der anderen Seite jedoch auch die Gruppe der erfolgreichsten Geschäftsleute bilden. In der Mitte zwischen ihnen siedeln sich Nehmer und Tauscher an. Dies ist eine interessante Erkenntnis, der er weiter folgt.
Abraham Lincoln
Als typisches Beispiel eines Gebers in der Politik führt er die Geschichte von Abraham Lincoln an, der als Provinzler aus armen Verhältnissen kaum Chancen auf eine Karriere in der Politik hatte. Aber durch Zähigkeit, extrem viel Ehrgeiz und Durchhaltevermögen konnte er im Laufe seines Lebens nach unendlich vielen Niederlagen seinen angestrebten Weg fortsetzen und sein Ziel erreichen. Dabei blieb er sich stets treu, stellte immer die Interessen anderer, insbesondere der Allgemeinheit vor seine eigenen Interessen und erwarb sich dadurch über die Jahre hinweg ein extrem hohes Ansehen seiner Unterstützer aber auch Rivalen.
Nachteile von Gebern
Bei der Untersuchung des Erfolgs von Gebern und Nehmern war interessant, dass Geber oft auf kurze Distanzen jeden „Wettbewerb“ verloren, umso länger die Untersuchungsdauer jedoch ausfiel, je erfolgreicher waren die Geber. Das erklärt sich damit, dass der Aufbau von Vertrauen und Respekt einen größeren zeitlichen Rahmen benötigt. Leider wird oft noch die Auffassung vertreten, dass man sich in der Geschäftswelt als „harter Knochen“ durchsetzen muss, um anerkannt zu werden. Deshalb trauen sich viele Geber gar nicht, sich als solche zu „outen“ und werden sogar teilweise zu Tauschern, um sich vermeintlich behaupten zu können.
Netzwerken
Eines der wichtigsten Machtinstrumente auf dem Weg zum Erfolg ist die Bildung von Netzwerken. Sowohl Nehmer als auch Geber bauen durchaus riesige Netzwerke mit wichtigen Menschen auf. Einen Unterschied scheint es jedoch zu geben. Geber knüpfen meist langsamer, dafür aber stetiger wichtige Netzwerke. Es dauert eine gewisse Zeit, damit ihre Mitmenschen erkennen, dass sie authentisch und emphatisch agieren und gern bereit sind, zu geben, auch ohne Gegenleistung. Nehmer hingegen würden gar keinen Erfolg beim Netzwerken erzielen, da die meisten Menschen einen natürlichen Gerechtigkeitssinn besitzen und auf Fairness aus sind. Deshalb haben es clevere Nehmer sich zu Eigen gemacht, sich zu tarnen. Meist sind sie offiziell als Tauscher unterwegs, manche allerdings auch als Geber. Durch Raffinesse erhalten einige Nehmer diese Masche recht lange aufrecht. Wenn sie allerdings enttarnt werden, verlieren sie alles.
Enttarnung durch digitale Medien
Seitdem durch das Internet die meisten Netzwerke digital geknüpft werden und fast alle Menschen ihre „Fußabdrücke“ im Netz hinterlegt haben, ist es deutlich einfacher, mehr über jeden einzelnen Menschen und seine Interaktion zu erfahren. Inzwischen ist es üblich, das Netz nach jedem Menschen zu durchforsten, mit dem man Geschäftsbeziehungen aufbauen will. Es gibt auch eindeutige Indizien, wie man getarnte Nehmer entlarven kann.
Tauscher
Tauscher sind eine spezielle Gruppe, die sich von beiden anderen dadurch unterscheidet, dass sie immer eine Gegenleistung erwartet, wenn sie eine Gefälligkeit erweist oder etwas gibt. Da diese Gruppe offenlegt, wie sie agiert, kann jeder Geschäftspartner sich darauf einstellen. Das bedingt allerdings auch, dass die Gruppe der Tauscher stets ein kleineres Netzwerk aufbaut, da es ja als Hautaktion b2b funktioniert. Der Vorteil von Tauschern ist, dass sie ein tiefes Fairness Empfinden besitzen. Wenn sie Nehmer in Aktion erleben, sind sie darum bemüht, diese abzustrafen. Wenn sie allerdings Gebern gegenüberstehen, bemühen sie sich um deren Wohl.
Schwache Kontakte, schlafende Kontakte
Es stellte sich heraus, dass sowohl schwache Kontakte als auch reanimierte schlafende Kontakte von hohem Wert sind. Warum ist das so? Beide Kontaktgruppen hatten keinen intensiven Kontakt in den letzten Jahren zu einem selbst und entwickeln sich dabei oft in Richtungen, die von der eigenen Richtung abweicht. Die starken Kontakte sind hingegen schnell zu kontaktieren, laufen aber „auf einer Welle“ mit den eigenen Ansichten und Ideen. Dadurch können sie oft keine wesentlichen neuen Impulse geben. Schwache Kontakte leben in einer „anderen Welt“. Deshalb können ihre Ideen oder auch Hilfeleistungen / Gefallen sehr unterstützend sein. Allerdings bedarf es hier erst längerer Kontaktvertiefungen, um Vertrauen aufzubauen. Bei schlafenden Kontakten verhält es sich anders. Dort besteht das Vertrauen bereits und gerade Geber profitieren sehr schnell davon, hier kluge Ratschläge zu erhalten. Denn oft erinnern sich die schlafenden Kontakte sehr wohlwollend an den Geber und geben sehr gern ihre Ideen / Ratschläge weiter.
Fallen für Geber
Obwohl seit einigen Jahren erkannt wurde, dass auch in der Geschäftswelt eine Gebermentalität sinnvoll und sogar auf lange Sicht sehr erfolgreich sein kann, gibt es einige Fallen. Eine aufstrebende junge und sehr engagierte Rechtsanwältin setzte sich permanent so vehement und energiegeladen für ihre Klienten ein, dass ihr das zum Nachteil gereichte. Sie wurde lange nicht befördert und musste folgende Kritik ihrer Kollegen einstecken: Sie sein zu vertrauensvoll, zu einfühlsam und zu schüchtern! Bei einem fortwährend fremdbezogenen Geberverhalten wird man schnell zum Fußabtreter für andere. Das gilt es zu vermeiden.
Fazit
In typisch amerikanischem Stil werden in diesem Buch alle Erklärungen und Zusammenhänge in den Kontext von Beispielen aus der Geschichte oder in Erzählform eingebettet. Das liest sich einerseits gefälliger, artet aber nicht selten auch in ausschweifende Beschreibungen über einzelne Persönlichkeiten und ihr Verhalten aus. Für ein Sachbuch ist es mir teilweise zu weit hergeholt, obwohl vom Kontext her interessant. Aber darin unterscheidet sich wohl auch die Mentalität eines Deutschen von der eines Amerikaners, vermute ich.
Ein Zitat von Goethe trifft allerdings ganz gut den neuen Zeitgeist, so dass ich es hier ebenfalls als Schlusswort wiedergeben möchte:
Wenn wir…die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter. Wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.
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Andere Bücher von Adam Grant:
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